Videowettbewerb
für Studierende

 
Video contest for college and university students

 



Mit freundlicher
Unterstützung durch

 






Aufnahme/Recording:
hr-Sinfonieorchester Frankfurt.
Dirigent/Conductor:
Eliahu Inbal.

Die Aufnahmen wurden freundlicherweise von
der Sendezentrale
des hr in Frankfurt
zur Verfügung gestellt.

© Christopher Schmidt, Videostill, Wettbewerbsbeitrag classic-clip 2016  
classic-clip 2023
Die Preisträger:innen stehen fest


Die Idee des classic-clip


Video, als künstlerisches Medium für aktuelle Musik von prägender Bedeutung und allgemeiner Verbreitung, findet in Verbindung mit Klassischer Musik nur selten Verwendung. Die bislang für den Wettbewerb classic-clip entstandenen Videos zeigen die ästhetische Irritation und das kreative Potenzial, das diese Begegnung erzeugt. Eine experimentelle Ausgangssituation erzeugt neue Sicht- und Hörweisen.


Vorgegebene Musik 2023

Igor Strawinsky
Suite No. 2 für kleines Orchester (1921)

1   Marsch / March
2   Valse / Valse
3   Polka / Polka
4   Galopp / Gallop



Der Wettbewerb ...

... richtet sich an Studierende mit Erfahrung im Bereich Video und Film. Bewertet wird der künstlerische Gesamteindruck des Clips und insbesondere, inwieweit aus der Visualisierung die persönliche Auseinandersetzung mit der Musik erkennbar wird. Es gelten weder inhaltliche noch strukturelle Vorgaben. Unter den Tracks kann frei gewählt werden.
Präsentation der Arbeiten und Preisverleihung im Rahmen des
MUSIKFEST KASSEL 2023 (15. bis 21. Mai 2023, documenta-Halle).

Die Preisträger 2023


 
Bei der Preisverleihung am 20. Mai in der documenta-Halle
Kassel wurden die PreisträgerInnen geehrt.
(Foto: Jule Helene Leinpinsel)

 
Erster Preis Classic-Clip 2023 in der Kategorie Studierende
Thomas Range, Mainz

Diese Bilder hatten Sie bei Stravinskys Orchester-Suite Nr. 2 noch nie vor Augen! Der 1. Preis des Classic-Clip 2023 bietet ein audiovisuelles Abenteuer der besonderen Art. Zwei Uniformierte auf robusten Flamingos bilden zum 4. Satz (Galop) die Kavallerie gegen ein eier-, milch- und mehlwerfendes Schnalbeltier, das sich mit Torten panzert und die Angreifer in die Flucht schlägt. Ein Elefant kommt dem Schnabeltier zuhilfe, fängt die geworfenen Zutaten, frisst sie und munitioniert retour den Kampf mit weiteren Kuchen. Ein Maulwurf schließlich verpasst schlafend das Gefecht bis er kollateral von den nahrhaften Wurfgeschossen getroffen wird. Der Legetrickfilm besticht durch seine Originalität bei gleichzeitiger Synchronität mit der Musik und Präzision bis in die Details. Er greift das A-B-A-Schema der Musik auf, vollzieht Tempowechsel und verarbeitet die Dynamiken in der Musik ebenso narrativ wie witzig.

Dr. Susanne Völker, Kulturdezernentin der Stadt Kassel



 
Zweiter Preis Classic-Clip 2023 in der Kategorie Studierende
Stella Julia Hood, Kassel

Gibt es Musik, die wie Popcorn klingt? Tatsächlich beschreibt ‚Popcorn-Musik‘ die Spritzigkeit und Überschwänglichkeit der Suite recht gut. Strawinsky fertigte das Medley aus Kindermelodien und Karikaturen für eine Pariser Music-Hall als Begleitmusik zu einem Sketch an. »Ich habe die Polka zuerst geschrieben, als Karikatur des Ballett-Impresarios Sergej Diaghilev, den ich als einen Zirkusdompteur sah, der mit einer langen Peitsche knallt.« Es hat schon etwas zu bedeuten, sich an diese Polka heranzuwagen, denn das Stück dauert noch kürzer als Chopins berühmter Minuten-Walzer: Exakt 57 Sekunden! Was lässt sich darin unterbringen? Am besten eine surreale Collage, die sich mit der musikalischen Sprache dieser verquer aufspielenden Instrumente bestens versteht. Wie es die sattfarbig animierte Bilderflut sogleich zeigen wird, handelt es sich hierbei um amöbenhafte, quallig aufgeblähte Formgestalten, die uns im ersten Moment noch rätseln lassen. Und dennoch erfassen wir sogleich wie ingeniös und gleichermaßen handwerklich grandios eine expressiv turbulente Animation in Strawinskys Zeitraffer-Musik implementiert wurde. Es schärft auf erfinderische Weise unsere Vorstellung vom Menschen – der Menschheit mitsamt ihrem Müll, auf das scheinbar Gute wie das wahrhaft Böse. Aber eigentlich geht es hier nur um die Anbetung des Plastik-Trinkbeutels. Da wird längst nicht mehr mit der langen Peitsche geknallt. Hier zerschellt der Unrat an einem Baumstamm – Popcorn ade!

Karl Gabriel von Karais, Konzertverein Kassel


 
Dritter Preis Classic-Clip 2023 in der Kategorie Studierende
Linette Weiss, Kassel


Vielleicht geht es Ihnen ja wie mir, wenn Sie sich den 4. Satz „Galopp“ aus der 2. Orchestersuite von Igor Stravinsky anhören: Die Füße beginnen zu wippen, die Finger versuchen, im Takt mit zu klopfen und auch der Kopf bleibt von kleinen rhythmischen Zuckungen nicht ganz verschont.
Dieses Gefühl der körperlichen Unruhe, des Bewegungsdrangs, greift Linette Weiss in Ihrem Video-Clip auf und zeigt uns Szenen auf einem Kinderspielplatz, in denen gerutscht, geschaukelt und balanciert wird, das Ganze aus Kinderperspektive und in Zeitraffer. Das wirkt auch deshalb sehr überzeugend, da wir vermutlich alle diese Ungeduld und die unbedingte Dringlichkeit noch kennen, mit der wir als Kinder die Schuhe anzogen, auf den Spielplatz hetzten, um dann in völliger Zeitvergessenheit herumzutoben. Aber auch die langsamen Zwischenteile Stravinskys nutzt Linette Weiss gekonnt, um entschleunigte Momente wie Süßigkeiten-Pausen in Szene zu setzen oder mithilfe einer Überblendung durch Kinder-Fotographien ein Gefühl des Innehaltens, der Nostalgie, vielleicht auch der Langeweile zu erzeugen. Dieses, durch die Bildsprache erzeugte, abrupte Wechselspiel zwischen Rastlosigkeit und Entschleunigung spiegelt das Spielverhalten eines Kindes treffend wider und ist in der Musik durch Tempo und Instrumentierung genau so angelegt. Beeindruckend ist auch, wie die Schnitte punktgenau auf die Musik abgestimmt sind, z.B. das Öffnen der Türe mit der Pauke, das Schaukeln im Takt oder die Landung nach dem Rutschen zusammen mit dem Beckenschlag.
Dieser Clip überzeugt sowohl durch seine erfrischend originelle Idee als auch durch seine perfekt auf die Musik abgestimmte Umsetzung, herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Arbeit!

Helmut Simon, Konzertverein Kassel
 

 
Dritter Preis Classic-Clip 2023 in der Kategorie Studierende
Fiona Giljohann & Maira Wissing, Bielefeld


Weiße Linien tanzen im Walzertakt auf schwarzem Grund. Themen und Bewegungen in der Suite Nummer 2 für kleines Orchester werden stilsicher als Vibrationen visualiert. Erst langsam offenbaren die Klangwolken Details von Instrumenten: Instrumente die man auch hört: Querflöte, Klarinette, Trompete, Fagott. Die stilistische Reduktion des Videos legt den Fokus auf die Musik von Igor Stravinsky und betont, mit modernsten Technik gekonnt umgesetzt, jede einzelne Note der mehr als Hundert Jahre alten Partitur. Der Zuschauer folgt gebannt der Dramaturgie bis zur großen Totale.

Simon Binnenmarsch



Für den Wettbewerb wurden dieses Jahr
Beiträge eingereicht von:


Hye Hyun Kim, Braunschweig
Thomas Range, Mainz
Fiona Giljohann & Maira Wissing, Bielefeld
Linette Weiss, Kassel
Anika Schröck, Dresden
Josefine Schmitz, Kassel
Fabian Vogel, Dresden
Jonas Freudenberger, Dresden (3 Clips)
Fritzi Harreck, Linz
Seymoure Konnemann, Kassel
Laura Walker, Mainz
Greta Fay, Mainz
Daniela Fritz, Ludwigsburg
Daniela Risse & Eleonora Dieterichs, Kassel
Stella Julia Hood, Kassel

Die Beiträge aller Teilnehmer:innen finden Sie
in unserer
youtube-Playlist


Mitglieder der Jury waren in diesem Jahr:

Dr. Katharina Benderoth, Geschäftsführerin
Kunsthochschule Kassel
Simon Binnenmarsch, Preisträger Classic-clip 2009,
hr-Studio Kassel
Bettina Fraschke, Journalistin, Leiterin der Kulturredaktion HNA
Phia-Charlotte Jensen, hr-Sinfonieorchester, Musikvermittlung
Karl Gabriel von Karais, Dramaturg, Vorstand Konzertverein Kassel
Kristina Paustian, Freie Filmerin, Preisträgerin Classic-clip 2013  
Helmut Simon, Musiker im Staatsorchester Kassel, Künstlerischer Beirat Konzertverein Kassel
Dr. Susanne Völker, Kunsthistorikerin, Kulturdezernentin der documenta-Stadt Kassel


hr-Sinfonieorchester (© hr/Ben Knabe/Andreas Maul)


Konzertverein Kassel
www.konzertverein-kassel.de


 
Abb. oben:
© Christopher Schmidt, Berlin: Videostill, Wettbewerbsbeitrag classic-clip 2016


 

 
 
 
Igor Strawinsky (1882–1971)
im Alter von 18 Jahren

 
Igor Strawinsky
Suite No. 2


Igor Strawinsky war ein Künstler, der Experimente liebte. Seine Zusammenarbeit mit den »Ballets Russes« in Paris unter Sergej Diaghilew hatte ihn schon vor dem ersten Weltkrieg zu einem bekannten Komponisten gemacht, die Uraufführung des »Sacre du printemps« war ein riesiger Skandal.
Nach dem Krieg wandte er sich zunächst Stilmitteln und Formen des musikalischen Barock und der Frühklassik zu, später dann auch versuchsweise kurz der Zwölftontechnik. Nach der Oktoberrevolution kehrte er Russland den Rücken und lebte als französischer und amerika­nischer Staatsbürger.
Die Suite No. 2 besteht aus vier Sätzen, in denen Strawinsky pointiert und ideenreich mit herkömmlichen Formmodellen spielt.
Die Orchestrierung ist durch­sichtig, aber zugleich farbig und virtuos in den Details.